Business Angel aus Leidenschaft für neue Ideen

Unternehmer Jörg Gudat unterstützt Start-ups aus dem Ruhrgebiet

Lesedauer: 8 Minuten

DigitalisierungStart-up
Business Angel aus Leidenschaft für neue Ideen
Sebastian

Sebastian

Blick über Bochum, eine Bar, zwei Lounge-Sessel und ein großer Tisch, der zu Geselligkeit einlädt. Wer die Räume der LABS.ruhr im Bermuda3eck in Bochum betritt, stellt fest: Das ist kein typisches Büro. Hier ist Platz für Kreativität, intensive Gespräche und neue Ideen mit Weitblick. Genau danach sucht Jörg Gudat. Schon als Student hat er sein erstes Unternehmen gegründet und unterstützt heute als Business Angel junge Gründer*innen im Ruhrgebiet dabei, innovative Produkte und Dienstleistungen an den Markt zu bringen und erfolgreich ein Unternehmen aufzubauen. Im Interview verrät er, wie er und sein Team das umsetzen, welches Mindset Gründer*innen brauchen und welches Potenzial er gerade an den Hochschulen sieht, das Start-up-Ökosystem im Ruhrgebiet weiterzuentwickeln.

Sebastian: Wer bist du und was machst du?

Jörg: Ich bin Jörg Gudat und mein Anspruch ist es, dass sich die Leute, für die ich Verantwortung trage, nicht langweilen.

Sebastian: Wie meinst du das?

Jörg: Ich sehe mich als kreativen Kopf. Mir macht es Spaß, neue Ideen zu entwickeln. Aber nicht still und alleine vor mich hin, sondern im Dialog, in einem Netzwerk. Am liebsten diskutiere ich im Team oder mit Partner*innen neue Ideen und wie sie sich realisieren lassen. Mein Ziel ist es, für anspruchsvolle Ideen neue Räume, kompetente Teams und innovative Produkte zu schaffen.

Sebastian: Bist du ein geborener Unternehmer oder kam der Impuls, selbst zu gründen erst später?

Jörg: Ich hatte das Glück, dass ich an der ein oder anderen Stelle in Themen reinwachsen konnte. Gerade als Student hatte ich die Freiheit, vieles auszuprobieren. Auch zuhause haben wir die Dinge immer selbst angepackt. Daher kam vielleicht mein Impuls, mir vorzunehmen: „Wenn es die Software so nicht gibt, dann mache ich sie eben selbst.“ Das Thema Unternehmertum wurde dann im Laufe des Studiums konkreter. Ich habe glücklicherweise immer Praktikumsplätze gefunden, die meinen beruflichen Horizont erweitert und mir vermittelt haben, was selbstständiges Arbeiten eigentlich bedeutet und wie eine Firma aussehen könnte. So halten wir es auch heute in unseren Unternehmen. Wir beziehen Praktikant*innen immer in laufende Projekte ein, damit sie verstehen, welche Strukturen und welche Interaktionen zu einem Projekt gehören.

Sebastian: Lass uns noch einmal zurück zum Anfang gehen. Wie ist es zu deiner ersten Gründung gekommen?

Jörg: Ich habe in Bochum Maschinenbau studiert und schon während des Studiums angefangen, Software zu entwickeln. Zum einen aus Interesse, zum anderen, weil es in meinem Umfeld einen konkreten Bedarf gab. Angefangen habe ich mit einem ERP-System (Enterprise-Resource-Planning) für die Krankenpflege, später habe ich mich stärker in Richtung Maschinenbau orientiert und für den produzierenden Mittelstand Software-Lösungen zur Produktionsoptimierung entwickelt. Ich bin dabei den klassischen Weg in die Selbstständigkeit gegangen. Mein erstes Büro habe ich im Keller meines Elternhauses in Wuppertal eingerichtet – immerhin Hanglage mit Aussicht. Über die Hochschule und über die Unternehmensnetzwerke, in die ich nach und nach eingestiegen bin, konnte ich mein Produkt anpassen, da ich die Bedarfe der Unternehmen gut kannte. Ich habe also die Themen aus meinem Studium immer stärker in Richtung Digitalisierung entwickelt und so ist über die Jahre die Gudat GmbH mit mehreren Tochterfirmen entstanden. Ich konzentriere mich heute vor allem auf die LABS.ruhr, die wir erst vor einem Jahr gegründet haben.

Sebastian: Welche Idee steckt hinter LABS.ruhr?

Jörg: Hinter der LABS.ruhr steckt folgende Überlegung: Zum einen haben wir immer schon mit anderen jungen und dynamischen Unternehmen zusammengearbeitet, zum anderen habe ich mich schon länger als Business Angel engagiert. Beides wollte ich kombinieren und professionalisieren. Mit einem Team aus erfahrenen Leuten für das Thema Digitalisierung im Mittelstand beraten wir Unternehmen und entwickeln mit ihnen Lösungen für digitale Prozesse oder für deren Produkte. LABS.ruhr will junge Menschen motivieren, selbst zu gründen und zeigen, dass sie dabei nicht alleine sind. Es wird sehr viel geforscht im Ruhrgebiet, teilweise auf Weltniveau, aber gleichzeitig wird bislang noch sehr wenig gegründet. Das wollen wir ändern. Wir gehören zu einem Netzwerk aus Unternehmen, die in der Region etwas aufbauen wollen und mit unseren Ressourcen helfen wir Start-ups zum Beispiel beim Marktzugang, der Geschäftsmodellvalidierung oder der Skalierung des Unternehmens.

Sebastian: Reden wir mal über Geld. Wie schätzt du die Unterstützung für Start-ups im Ruhrgebiet ein?

Jörg: Aus meiner Sicht wird zu wenig investiert, das ist ein Grund, warum wir LABS.ruhr gegründet haben. Wir sind aber kein typischer Venture-Capital-Geber, sondern LABS.ruhr ist als Start-up-Dienstleister und Business Angel im Bereich Smart Money unterwegs. Das heißt, wir poolen Unternehmen aus unserem Netzwerk in einer Beteiligungsgesellschaft und stellen so nicht nur Liquidität, sondern auch Expertenwissen, intensive Beratung und Netzwerk sicher. Hier gibt es Unternehmen, die Start-ups suchen, die sich mit den gleichen oder verwandten Themen beschäftigen und das eigene Unternehmen ergänzen. Wir verfolgen also einen Dualitätsanspruch: Wir sind nicht nur Inkubator, sondern gleichzeitig Software-Unternehmen, Digitalisierungsexperten und Dienstleister für bestehende Unternehmen, um die richtigen Partner miteinander zu vernetzen.

Sebastian: Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen eurem Team und den Gründer*innen?

Jörg: Üblicherweise gehen unsere Leute nicht in die Gründerteams, sondern wir bieten Unterstützung im Sinne von Dienstleistungen an. Es kommt aber auch ab und zu vor, dass ein Start-up gezielt noch jemanden für eine bestimmte Position wie etwa das Marketing sucht. In diesem Fall fragen wir in unserem Netzwerk an, ob das jemand übernehmen kann und eventuell auch als Co-Founder einsteigen will.

Sebastian: Gibt es Aha-Momente in der Zusammenarbeit mit jungen Gründer*innen?

Jörg: Auf jeden Fall, und zwar auf beiden Seiten. Ich bin immer wieder überrascht, wie professionell auch junge Menschen an ihre Themen rangehen. Das betrifft gerade Gründer*innen aus dem studentischen Umfeld, woran ich merke, dass die Hochschulen mehr Wissen rund um das Thema vermitteln. Wir haben zum Beispiel mit dem Team von Antric zusammengearbeitet, einem Start-up aus dem ruhrvalley, das E-Cargobikes für die letzte Meile herstellt. In dem Fall war ich sehr fasziniert davon, wie strukturiert die beiden Gründer an die Problemstellung herangegangen sind und welche klaren Vorstellungen sie von den Bedürfnissen ihrer Zielgruppen hatten. Andersherum sind viele Gründer*innen überrascht zu merken, dass wir in heißen Phasen rund um die Uhr für sie ansprechbar sind und mit ihnen zusammen diesen Weg gehen.

Sebastian: Welche Kompetenzen und welches Mindset brauchen Gründer*innen?

Jörg: Aus meiner Sicht ist wichtig, dass die Gründer*innen für ihre Ideen brennen. Eine gute Voraussetzung für erfolgreiche Gründungen ist in vielen Fällen ein gutes Team, das die Aufgaben und Bereiche untereinander aufteilt: Einer kümmert sich um die Technik, eine ist für die Förderung zuständig und ein weiteres Teammitglied kümmert sich um das Finanzielle. Ein Team ist für uns aber keine Voraussetzung. Wir unterstützen auch den einzelnen Techniker von der Hochschule und vermitteln Unternehmenskontakte oder überlegen mit ihm zusammen, wie man ein Unternehmen aufbauen könnte. Grundsätzlich ist mir vor allem wichtig, dass die Chemie zwischen unserem Team und den Gründer*innen stimmt. Können wir gut zusammenarbeiten, haben wir Spaß bei der Sache und können wir auch mal ein Bierchen zusammen trinken? Am Ende gehen wir mit jedem Gründer und jeder Gründerin ein Vertrauensverhältnis ein und dazu muss aus meiner Sicht das Mindset zusammenpassen.

Sebastian: Aus welchen Fehlern hast du gelernt und wie gibst du sie heute an die Start-ups aus deinem Netzwerk weiter?

Jörg: Das erste Logo habe ich selbst designed und es war wirklich schrecklich. Deshalb rate ich allen, von Anfang an Expert*innen hinzuzuziehen. Durch mein Netzwerk hatte ich Glück, immer Profis aus bestimmten Bereichen zu kennen, wie den Grafikstudenten, der das Logo schließlich überarbeitet hat. Das gilt übrigens auch nach dem Studium. Gründer*innen sollten nie versuchen, alles selber zu machen, sondern können einiges abkürzen, wenn sie gleich sinnvolle Standards einführen, auf denen sie aufbauen können, ohne es später noch einmal überarbeiten oder erneuern zu müssen. Klar, brauchen sie Budget dafür, aber häufig ist das gar nicht so viel, wenn man die richtigen Kontakte hat. Gerade heute ist das viel einfacher, weil es mittlerweile spezifische Angebote direkt an den Hochschulen gibt.

Sebastian: Gibt es Themen, die hier im Ruhrgebiet besonders stark sind?

Jörg: Aus meiner Perspektive ist unsere Chance natürlich das Thema Digitalisierung. Unser größtes Kapital ist die Bevölkerungsdichte wir haben hier hervorragend ausgebildete Leute. Neben der Digitalisierung ist aus meiner Sicht auch die klassische Produktion ein wichtiger Faktor. Es gibt im Ruhrgebiet Mittelständler und Großkonzerne, die auf dem Weltmarkt aktiv sind und immer wieder nach Möglichkeiten suchen, neue Produkte zu entwickeln. Daneben finden hier spannende Entwicklungen im Bereich Medizintechnik und Gesundheitswirtschaft statt. Ein weiteres hochspannendes Thema ist das Smart Grid. Denn aufgrund der hohen Bevölkerung benötigen wir zwar viel Strom, haben aber nur eingeschränkte Kapazitäten, um regenerative Energiegien zu erzeugen. Welche Lösungen gibt es dafür? Nicht zu vergessen die Schwerindustrie und damit verbunden das Thema „grüner“ Wasserstoff, das in Zukunft sicherlich noch stärker kommen wird.

Sebastian: Wie können Hochschulen Science-Gründungen fördern oder auch initiieren?

Jörg: Die Hochschulen haben das Thema Gründen als Teil oder sogar als Ziel der Ausbildung immer mehr auf dem Schirm. Was fehlt, ist häufig noch die unternehmerische Praxis. Es werden zwar Unternehmen eingebunden, aber nicht in dem Maße, wie ich es aus anderen Ländern kenne. In den USA etwa gehört es zum Uni-Alltag dazu, dass sich Unternehmen am Campus präsentieren, mit den Studierenden im direkten Austausch sind und an der ein oder anderen Stelle Tipps zur Unternehmensgründung geben. Das wollen wir als LABS.ruhr im Ruhrgebiet initiieren, um die Lücke zwischen Theorie und Praxis zu schließen. Zu unserem Netzwerk gehören auch Hochschulen, bei denen ich immer mal wieder einen Block in einer Vorlesung übernehme. Wichtig ist dabei, auf die Studierenden zuzugehen und nicht einfach zu warten, dass sie auf einen zukommen.

Sebastian: Du hast also viel vor. Wie tankst du Energie für neue Ideen?

Jörg: Ich koche sehr gerne – am liebsten mit meinen beiden Söhnen, das finde ich sehr entspannend. Ansonsten fahre ich sehr gerne Fahrrad, um runterzukommen. Bevorzugt auf den ehemaligen Trassen, auf denen man hervorragend fahren kann. Meistens ist es so, dass mir während der Fahrradtour noch etwas einfällt und dann rufe ich jemanden an, mit dem ich die Idee diskutieren kann. Sehr viel Spaß machen mir Charity-Projekte im Rahmen von Rotary. Für mich ist es sehr bereichernd, unvoreingenommen mit Menschen aus unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen und Lebenssituationen Dinge diskutieren zu können, ohne miteinander in einem Kunden- oder Dienstleistungsverhältnis zu stehen. Ansonsten versuche ich entsprechend der beiden Bücher über Work-Life-Balance und Work-Life-Harmony meiner Frau, die Psychologin ist zu leben.

Die Gudat GmbH

Noch während seines Maschinenbau-Studiums des gründet Jörg Gudat sein erstes Unternehmen und entwickelt Software-Lösungen zur Produktionsoptimierung für den Mittelstand. Nach dem Studium konzentriert sich er sich auf den digitalen Prototypenbau für große Unternehmen wie Siemens, Pfizer oder Daimler. Digitalisierung in einem agilen Prozess erfolgreich in ein Produkt oder in ein Unternehmen zu integrieren wird zum Kern seiner Tätigkeit. Er gründet die Gudat GmbH als Holding-Struktur mit Tochtergesellschaften, die das Thema Digitalisierung in unterschiedlichsten Bereichen bearbeiten. Die Gudat GmbH hat ihren Sitz im Herzen des Ruhrgebiets, im Bermuda3eck in Bochum.

www.gudat.com

Gudat Solutions

Die Gudat Solutions GmbH betreibt das Digitale Autohaus, das aus der Entwicklung der Prototypen entstanden ist. Die browserbasierte Online Suite ermöglicht es Autohäusern und Kfz-Betrieben, Prozesse wie Online-Terminvereinbarung, Dialogannahme, Service- und Werkstattplanung zu digitalisieren und zusammenzufassen.

www.digitalesautohaus.de

LABS.ruhr

Die LABS.ruhr hat sich dem Thema Venture Building verschrieben. Das Team unterstützt Gründer*innen, entwickelt gemeinsam mit Unternehmen Lösungen für digitale Prozesse und unterstützt sie dabei, neue Märkte zu erschließen.

www.LABS.ruhr

EDU:digital

EDU:digital unterstützt Schulen bei der Digitalisierung von der Didaktik über die Netzwerkausstattung und Endgeräte bis zu Schulungen. Neben der technischen Umsetzung bietet EDU:digital einen Methodenkoffer für Lehrende, der sowohl hybride Lernformate umfasst als auch Themen wie die Geräte-Verwaltung einschließt.

www.edu-digital.de

trast

Als Unternehmensberatung treibt trast die Digitalisierung im Bereich Automotive voran.

www.trast.de

ruhrvalley Start-up-Campus

Der ruhrvalley Start-up-Campus unterstützt Gründungsinteressierte an der Hochschule Bochum, der Fachhochschule Dortmund und der Westfälischen Hochschule dabei, ihre Ideen, Technologien und Forschungsergebnisse erfolgreich aus der Wissenschaft in die Wirtschaft zu bringen. Auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit werden Studierende, Mitarbeitende und Ehemalige der beteiligten Hochschulen von erfahrenen Coaches und Expert*innen begleitet, die ihnen notwendiges Wissen und Skills vermitteln, um mit dem eigenen Unternehmen durchzustarten. Die Initiative wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert.

www.rv-startupcampus.de