e-cargo bringt’s

Dirk Fromme verbindet den lokalen Einzelhandel mit einem nachhaltigen Lieferdienst

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e-cargo bringt’s
Sebastian

Sebastian

Wirtschaftsprüfung, das ist eigentlich die Welt von Wirtschaftswissenschaftler Dirk Fromme. Als der Bochumer jedoch 2014 auf einer Konferenz in Nijmegen mehr über City-Logistik mit Lastenfahrrädern erfahren hat, ist der Funke übergesprungen. Seit dem setzt er mit seinem eigenen Unternehmen e-cargo alles daran, die Auslieferung auf der letzten Meile in den Innenstädten im Ruhrgebiet emissionsfrei, effizient und bürgernahe zu gestalten. Wie? Das erzählt er im Interview.

Wer bist du und was machst du?

Ich bin Dirk Fromme, Gründer und Geschäftsführer von e-cargo aus Bochum. Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit City-Logistik-Konzepten auf Basis von Elektromobilität. Im Projekt „e-cargo bringt’s“ arbeiten wir mit Städten zusammen und übernehmen die Rolle des „All inclusive“ Logistikers. Wir verstehen City-Logistik als „Logistic as a Service“. Wir bieten unseren Kunden ein rundum-sorglos-Paket an. Das ermöglicht es uns, nicht nur theoretische Konzepte am Schreibtisch zu planen, sondern auch die Herausforderungen der letzten Meile, also des letzten Schritts der Zustellung, hautnah zu erleben. Durch diese praktische Erfahrung können wir besser verstehen, welche planerischen Überlegungen und Aspekte der City-Logistik berücksichtigt werden müssen, damit der Logistiker am Ende des Tages erfolgreich ist.

Welche Kernkompetenzen bietet ihr mit e-cargo an und welches Problem löst ihr damit?

Unsere Kernkompetenzen liegen in der Entwicklung und Realisierung neuer City-Logistik-Konzepte, ausschließlich kombiniert mit der Bandbreite an Elektro-Fahrzeugen. Unser Hauptziel ist es, mit einer veränderten und umweltfreundlichen City-Logistik Innenstädte lebenswerter zu machen und Veränderungen in Bezug auf Wohnen, Leben und Arbeiten herbeizuführen. Wir möchten den Spagat zwischen diesen Aspekten meistern. Ein großes Thema, das uns dabei beschäftigt, ist die Bündelung von Lieferverkehren. Durch die Einrichtung von Micro Hubs oder die Zusammenfassung von Lieferungen in der City-Logistik wollen wir erreichen, dass unsere E-Lieferfahrzeuge effizient ausgenutzt werden und wir dadurch eine Reduzierung des Lieferverkehrs erreichen. Mit „Bochum bringt’s“ haben wir in Bochum ein Format geschaffen, welches die Lieferverkehre der Bochumer Einzelhändler gebündelt und routenoptimiert zustellt. Je mehr Menschen „Bochum bringt’s“ nutzen, desto effizienter und umweltfreundlicher wird unsere Logistik auf dem Bochumer Stadtgebiet. Wir glauben daran, dass es wichtig ist, neue Wege zu finden, um den Verkehr zu reduzieren, anstatt einfach nur Diesel-Transporter durch E-Transporter zu ersetzen, da dies allein nicht ausreicht, um die Verkehrssituation in den Innenstädten nachhaltig zu verbessern. Wobei wir uns in diesem Zusammenhang intensiv mit Elektromobilität und der Verbesserung von E-Lieferfahrzeugen beschäftigen.

Wie bist du auf dieses Thema gekommen und welche Meilensteine gab es auf dem Weg zu e-cargo?

Wir haben uns schon relativ früh, im Jahr 2014, mit dem Thema beschäftigt. Bei der Jahreskonferenz der European Cycle Logistics Federation in Nijmegen habe ich mehr über die ersten Versuche mit Lastenfahrrädern in anderen Ländern erfahren. Das fand ich unglaublich spannend und wollte etwas Vergleichbares auch hier in Deutschland auf die Beine stellen. Wir haben ein großes Lastenrad von einem spanischen Hersteller gekauft und damit unsere ersten Projekte umgesetzt. Ein weiterer Meilenstein war die Beantragung eines Forschungsprojekts mit den Universitäten Aachen und Wuppertal und mit DHL. Obwohl wir letztendlich nicht den Zuschlag erhalten haben, wurde hier zum ersten Mal konkret, worüber wir schon lange nachgedacht haben – nämlich mit einem Hub und Paketdienstleistern zusammenzuarbeiten. Zusammen mit GLS haben wir schließlich ein Projekt in Bochum mit Lastenfahrrädern durchgeführt. Dabei mussten wir schließlich erkennen, dass City-Logistik mit Lastenfahrräder allein sehr aufwendig ist. Deshalb haben wir E-Fahrzeuge hinzugenommen. Während der Pandemie haben wir 2020 gemeinsam mit der Stadt Bochum den Lieferdienst „Bochum bringt’s“ ins Leben gerufen. Viele Bochumer Unternehmen nutzen unseren Service, um ihren Kunden ihre Einkäufe klimaneutral nach Hause liefern zu lassen. Da wir keinen Kurierdienstleister mit Elektrofahrzeugen finden konnten, haben wir beschlossen, eigene Fahrzeuge anzuschaffen und Fahrer bei uns direkt einzustellen. Das hat sich bewährt und wir konnten die Städte Gladbeck und Remscheid für ein Duplikat von „Bochum bringt’s“ gewinnen.

Wie funktioniert „e-cargo bringt’s“?

Wir bündeln die Lieferverkehre der Einzelhändler auf dem jeweiligen Stadtgebiet, betreiben ein Micro-Depot in der Innenstadt und liefern mit unserer eigenen Logistiksparte umweltfreundlich mit E-Fahrzeugen aus. Wir arbeiten hierbei eng mit den Einzelhändlern zusammen. Die Kunden können auf unserer Website alle teilnehmenden Händler aus ihrer Stadt sehen und werden zur Webseite des Händlers weitergeleitet, wo sie wie gewohnt ihre Bestellung aufgeben können. Je nachdem, wie der Händler seine Webseite gestaltet hat, kann man dort auch die Option wählen, die Lieferung über „e-cargo bringt’s“ zu erhalten. Die Versandkosten variieren je nach Händler, einige bieten auch kostenlose Lieferung ab einem bestimmten Bestellwert an. Wir erhalten die Daten der Bestellungen digital vom Händler und planen unsere Routen. Wir holen die Waren bei den Einzelhändlern ab und sortieren diese nach den geplanten Routen im Micro-Depot. Wir sind schnell, da wir kurze Wege haben. Sowohl vom Einzelhändler ins Micro-Depot als auch von dort zum Endkunden. Der Kunde erhält die Lieferung oft noch am selben Tag, das ist einer unserer Vorteile. Unser Preis ist unabhängig vom Gewicht der Pakete, was für viele Händler vorteilhaft ist. Aber ganz wichtig ist für uns, dass die Zustellungen umweltfreundlich sind und wir den Lieferverkehr reduzieren.

Was fasziniert dich besonders an der Last-Mile-Logistik und warum ist das Ruhrgebiet dafür so prädestiniert?

Mich fasziniert es, neue Wege zu finden, um das Thema weiterzuentwickeln. Das Ruhrgebiet bietet eine große Logistikdichte und die Herausforderung besteht darin, nachhaltige Lösungen zu finden. Es reizt mich, Verbesserungen zu bewirken, die sich positiv auf die Lebensqualität in den Innenstädten auswirken. Wir wollen vor allem zeigen, dass es auch anders geht. Und je mehr die Menschen das sehen, umso mehr finden neue Lösungen wie e-cargo Akzeptanz.

Gibt es derzeit neue Entwicklungen oder Potenziale in der Branche?

Insbesondere für Paketdienstleister bietet sich ein Massengeschäft. Das ist Fluch und Segen zugleich, da es große logistische Herausforderungen mit sich bringt. Es gibt sicherlich Potenzial, insbesondere im Bereich der City-Logistik. Es wird viel geforscht und über verschiedene Ansätze diskutiert. Die Margen auf der letzten Meile sind oft gering, wodurch es für neue Konzepte oft wirtschaftlich schwer wird. Eine gute IT-Infrastruktur könnte helfen, neue Konzepte umzusetzen. Über Kommunikationsmedien könnten beispielsweise Informationen über Abfahrtszeiten und geplante Zustellungen automatisch bereitgestellt werden. Künstliche Intelligenz könnte ebenfalls eine Rolle spielen. Es gibt noch viel Luft nach oben, um diese Ideen technologisch umzusetzen.

In welchen Bereichen wollt ihr euch weiterentwickeln?

Unsere Hauptentwicklungsmöglichkeit liegt im Bereich der Akquise von Unternehmen, die viele Waren auf der letzten Meile zustellen und bereit sind für Neues. Dies können etwa Filialisten großer Einzelhandelsketten sein, aber auch der Lebensmittelhandel, der vermehrt auf die individuelle Zustellung setzt. Durch unsere Lage hier in Bochum, mitten im Ruhrgebiet, haben wir den Vorteil, dass wir schnell in Essen, Dortmund oder Duisburg sein können. Hardware-technisch ist das kein Problem, wir können alles von hier aus steuern. Wenn wir uns also in diesem Bereich erweitern, können wir die Lieferungen noch besser bündeln, was ich für wichtig halte. Die Nachfrage steigt stetig.

Wie ist euer Team aufgestellt?

Es ist ganz unterschiedlich. Einige unserer Kolleginnen udn Kollegen sind noch im Studium, andere bereits im Ruhestand. Sie sind sehr zuverlässig und ein großartiges Team. Uns ist wichtig, dass wir für die Händler und deren Kunden vertraute Ansprechpartner sind. Dies vermitteln wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bereits im Vorstellungsgespräch. Es ist sehr persönlich, das schätze ich sehr.

Gibt es etwas, was du heute anders machen würdest?

Eigentlich nicht viel. Nach dem Studium und der Zeit als Angestellter habe ich mich selbstständig gemacht. Ich denke, es lohnt sich gerade für junge Menschen, in die Projektarbeit früh einzusteigen, allerdings nicht mit einem blinden Aktionismus und ausschließlich investmentgesteuert, sondern überlegt und strukturiert, um so etwas gut und solide aufzubauen.

Wie tankst du in deiner Freizeit am liebsten Energie?

Der Sommerurlaub ist jedes Jahr ein Highlight. Aber meine Selbstständigkeit nimmt schon sehr viel Raum in meinem Leben ein. Da ich das so gerne mache und so spannend finde, sind viele Themen in meinem Kopf einfach omnipräsent. Ich empfinde es als Freude, an solchen Themen zu arbeiten. Manchmal übernehme ich selber eine Tour. Das kommt zwar eher selten vor, aber ich finde es immer wieder spannend, selber festzustellen, wo noch etwas verbessert werden kann.

Dirk Fromme

Dirk Fromme ist Diplom-Kaufmann und Gründer/Geschäftsführer der adventus Unternehmensberatung sowie von e-cargo. Zuvor war der studierte Wirtschaftswissenschaftler rund 15 Jahre bei einer großen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft tätig. Die Prüfung und Beratung von Energieversorgungsunternehmen und produzierenden Unternehmen nimmt 60 Prozent seines Berufslebens weiterhin ein. Die anderen 40 Prozent widmet er, unterstützt von seinem Team, e-cargo. Mit e-cargo können Einzelhändler ihre Kundinnen und Kunden vor Ort oft noch am selben Tag beliefern. Dabei holt e-cargo die Waren beim Händler ab und liefert sie emissionsfrei mit Elektro-Lieferfahrzeugen aus.

Fotos: e-cargo