Datenschutz und Datenschatz
Andreas Diepenbrock über Datenschutz in der Softwareentwicklung
Lesedauer: 10 Minuten
Interview mit Andreas Diepenbrock, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachhochschule Dortmund, über Datenschutz in der Softwareentwicklung, den Aufbau eines Smart-City-Ökosystems und die Frage, was Brieftauben mit Informatik zu tun haben.
Thea: Wer bist du und was machst du?
Andreas: Ich bin Andreas Diepenbrock und promoviere am Institut für die Digitalisierung von Arbeits- und Lebenswelten (IDiAL) zum Thema vertrauensvolle und sichere Softwareentwicklung. Neben der Promotion kümmere ich mich am Institut um den Aufbau und die Leitung eines Competence Centers zu genau diesem Schwerpunkt und unterstütze als Teamleiter die Arbeitsgruppe SEELAB, die sich mit Technologien, Methoden und Prozessen komplexer Softwarearchitektur beschäftigt. Außerdem bin in der Lehre aktiv und engagiere mich innerhalb der Fachhochschule im Institutsrat oder im Bereich des Datenschutzes.
Thea: Wie war dein Weg dahin?
Andreas: Angefangen hat es eigentlich damit, dass ich meinem Großvater helfen wollte. Dessen Hobby waren Brieftauben. Für jedes Tier brauchte er eine Abstammungsurkunde, die er zu dieser Zeit per Hand geschrieben hat. Ich fand das sehr umständlich und wollte ein einfaches Programm entwickeln, mit dem das leichter geht. So bin ich als Teenager zur Informatik gekommen und habe schnell Spaß daran gefunden. Auch mein Interesse, mit Daten zu arbeiten, war von da an geweckt. Das Tool für meinen Opa wurde in seinem Verein tatsächlich zu einem kleinen Erfolg und das hat mich motiviert weiterzumachen. Nach der Schule habe ich an der Fachhochschule Dortmund Informatik studiert. Währenddessen habe ich im QuartiersNETZ, dem größten Forschungsprojekt an unserer Fachhochschule zu diesem Zeitpunkt, ein Teilprojekt geleitet, in dem wir eine digitale Quartiersplattform entwickelt haben. Dabei bin ich mit dem Bereich Datenschutz näher in Berührung gekommen. Das Thema hat mich so gepackt, dass ich mich auch privat weiter damit beschäftigt habe und etwa eine Zertifizierung als Datenschutzbeauftragter absolviert habe. Diese beiden Welten der Softwareentwicklung und des Datenschutzes möchte ich noch näher zusammenbringen und einen Beitrag dazu leisten, Softwareentwicklung in Zukunft vertrauenswürdiger und sicherer zu gestalten.
Thea: Welche aktuellen Herausforderungen möchtest du mit deiner Arbeit lösen?
Andreas: Transparenz, Akzeptanz und Vertrauen in digitale Systeme sind aus der Perspektive der Endanwenderinnen und -anwender die zentralen Ziele. Ich möchte sie sowohl aus ihrer als auch aus der Perspektive der Entwicklung adressieren. Aktuell steigt zwar das Bewusstsein für den Datenschutz und den Umgang mit den eigenen Daten im Allgemeinen, aber für die meisten Menschen ist es nicht möglich nachzuvollziehen, was mit ihren Daten passiert. Ähnlich sieht es auf der Seite der Softwareentwicklung aus. Es gilt vieles zu berücksichtigen und umzusetzen, aber meistens fehlt das Wissen, die Zeit oder das Geld dafür. Das möchte ich ändern, denn nur so lassen sich Akzeptanz und Nutzungsbereitschaft für neue digitale Systeme zu steigern.
Thea: Wie möchtest du das erreichen?
Andreas: Ich forsche an der Frage, wie die sichere und vertrauensvolle Verarbeitung von Daten direkt während der Entwicklung neuer Software berücksichtigt werden kann. Dabei konzentriere ich mich zunächst auf jede Art von Software, die persönliche oder kritische Daten verarbeitet und speichert. Ich erarbeite Konzepte, um Informationen auf struktureller Ebene unter anderem aus dem Quelltext zu gewinnen und zu klassifizieren. Darauf aufbauend entwickle ich ein Tool, das Softwarentwicklerinnen und -entwickler bei der Arbeit unterstützt. Anhand der gewonnen Informationen macht es Vorschläge, wie die Software sicherer und vertrauensvoller umgesetzt werden kann.
Thea: Wie soll es dann weitergehen?
Andreas: Mein Ziel ist es, nach der Promotion mein eigenes Unternehmen zu gründen – ebenfalls wieder im Bereich der vertrauensvollen und sicheren Softwareentwicklung. Durch meine Arbeit am Institut und im ruhrvalley habe ich viele Kontakte zu Unternehmen, Städten und Endanwenderinnen und -anwendern knüpfen können und habe einen Einblick gewonnen, wo deren Bedarfe liegen.
Thea: Die Nutzung von Daten und ihr Schutz sind auch zentrale Themen im aktuellen ruhrvalley Projekt Smart City Ecosystem. Worum geht es dabei konkret?
Andreas: In jeder Stadt werden unzählige Daten gesammelt von verschiedenen Akteurinnen und Akteuren und zu verschiedenen Zwecken. Nur zusammengeführt werden sie in der Regel nicht und genau hier liegt das Problem. Denn um eine Smart City wirklich „smart“ zu machen, braucht es eine möglichst aktuelle und vollständige Datenbasis, die genutzt werden kann, um neue und innovative Dienste entwickeln zu können. Zum Beispiel muss die Stadtplanung wissen, wie viele Elektrofahrzeuge in der Stadt angemeldet sind, um zu entscheiden, ob und wo neue Ladesäulen gebaut werden sollen. Diese Daten erfasst aber die Zulassungsbehörde und häufig fehlt zwischen den beiden Stellen eine institutionalisierte Schnittstelle. Gleiches gilt auch aus der Perspektive der Unternehmen. Hier setzen wir mit dem Projekt an.
Thea: Was macht eine Smart City für euch aus?
Andreas: Smart City bedeutet für uns nicht nur die intelligente Nutzung von Daten, sondern auch Kooperation. Der Austausch von Daten ermöglicht es, neue Dienste sowohl für die Menschen, die Unternehmen als auch für die Stadt selbst zu entwickeln und so insgesamt die Lebensqualität zu steigern. Im Projekt Smart City Ecosystem entwickeln wir eine Lösung, um die Daten einer Smart City mithilfe einer technischen Schnittstelle an ein Ökosystem anzubinden und darüber Daten auszutauschen. Neben der Ermöglichung des Datenaustausches achten wir hier ebenfalls darauf, dass dieser Austausch die nötigen Datenschutzvorgaben berücksichtigt.
Thea: Wie funktioniert eure Lösung?
Andreas: Für die Teilhabe an unserem Ökosystem haben wir das Konzept des „SCitE Connectors“ entwickelt. Dabei handelt es sich um eine Software, welche bei den teilnehmenden Unternehmen und Institutionen betrieben werden muss und über die die Bereitstellung oder die Nutzung von Daten geregelt und kontrolliert wird. Dadurch möchten wir erreichen, dass die Daten von den Teilnehmern nicht in einen großen Datenpool innerhalb der Smart City überführt werden, sondern jeder Teilnehmer seine Daten behält und nur durch die explizite Freigabe von spezifischen Daten diese im Ökosystem zur Verfügung stehen. Auch die Bürgerinnen und Bürger können aktiv an dem System teilnehmen und Daten beisteuern. In unserem Ökosystem können sie selbst entscheiden, an wen sie die Daten weitergeben und wofür diese genutzt werden dürfen.
Thea: Für welche Szenarien kann die Plattform genutzt werden?
Andreas: Ein anschauliches Beispiel ist die Katalogisierung von Stadtmöbeln wie Straßenlaternen, um sie etwa für die Wartung vorzusehen. Aktuell fehlt es vielen Städten an einer Datengrundlage, welche Leuchtmittel in den Laternen verbaut sind – LED oder noch Halogen? In einem unserer Anwendungsszenarien stattet einer unserer Projektpartner öffentliche Verkehrsmittel mit Sensoren aus, die messen, welche Leuchtmittel verbaut sind. Da die Busse regelmäßige Routen abfahren, können wir außerdem kontinuierlich erfassen, welche Laternen kaputt sind oder eine Wartung benötigen. Über den „SCitE Connector“ ist das Unternehmen mit dem Datenökosystem verbunden, sodass auch andere Teilnehmer auf die Daten zugreifen können. So könnten diese Daten perspektivisch etwa genutzt werden, um geeignete Plätze für Straßenlaternen mit einer integrierten Ladesäule für E-Autos zu finden.
Thea: Was ist die wichtigste Bedingung für den Erfolg eures Smart-City-Datenökosystems?
Andreas: In unserem Fall müssen viele mitmachen, damit ein aktives Netzwerk entsteht, das kontinuierlich weiter wächst und möglichst viele Daten umfasst.
Thea: Was fasziniert dich besonders an deiner Arbeit?
Andreas: Kein Tag ist wie der andere. Dabei habe ich auf unterschiedliche Weise immer mit den Themen zu tun, die mich am meisten interessieren – mal arbeite ich intensiv am Projekt, dann konzentriere ich mich wieder mehr auf die Promotion oder bin in der Lehre tätig. Ich mag diese Abwechslung
Thea: Welche Entwicklungen in deinem Arbeitsfeld hältst du für entscheidend?
Andreas: Ich denke die aktuellen Entwicklungen im Bereich KI werden einen großen Einfluss haben, wie ChatGPT und Co. Allerdings zeigt es sich auch, dass diese Systeme auch nur so gut sind, wie die Datenbasis auf denen sie trainiert wurden. Für mich wird es vermutlich also ein weiteres Werkzeug in meinem Werkzeugkasten sein, welches ich nutze, um meine Arbeit zu erfüllen.
Thea: Womit verbringst du deine Zeit am liebsten, wenn du nicht am IDiAL forscht?
Andreas: Ich bin eigentlich schon immer jemand gewesen, der bei Musik auf andere Gedanken kommt und gut abschalten kann. Über den Jahreswechsel bin ich mit dem DJing in Berührung gekommen, woran ich mich aktuell versuche. Das allerdings nur als Hobby, um mal abzuschalten und ohne Ambitionen das mal vor Publikum zu zeigen 😉
Andreas Diepenbrock
Andreas Diepenbrock ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für die Digitalisierung von Arbeits- und Lebenswelten (IDiAL) der Fachhochschule Dortmund. Dort leitet er ein Competence Center zu seinem Schwerpunkt vertrauensvolle und sichere Softwareentwicklung und ist Teamleiter der Arbeitsgruppe SEELAB, die sich mit Technologien, Methoden und Prozessen komplexer Softwarearchitekturen beschäftigt.