Zehnmal längere Haltbarkeit für Brennstoffzellen und Elektrolyseure
Start-up Hydrogenea entwickelt nachhaltige technische Lösungen für eine grüne Wasserstoffwirtschaft
Lesedauer: 10 Minuten
Alles fing mit einer winzigen Faser an. Vor rund zehn Jahren beschäftigte sich Pit Podleschny zum ersten Mal mit Kohlenstoff-Nano-Fasern (CNF). Damals hat er noch Maschinenbau an der Ruhr Universität Bochum studiert und in Spanien seine Bachelorarbeit über die Anpassung der Fasern geschrieben. Seit dieser Zeit begleiten sie ihn. Er will die erneuerbaren Energien voranbringen und sieht in der kleinen Faser großes Potenzial für die Wasserstoff-Technologie. Im Rahmen seiner interdisziplinären Promotion betritt er Neuland in der technischen Chemie und entwickelt auf Grundlage der CNF eine neue Elektrode, die zehnmal haltbarer ist als der status quo. Nächstes Jahr will er mit seinem Start-up Hydrogenea an den Markt gehen.
Wer bist du und was machst du?
Ich bin Pit, 33 Jahre alt, bin verheiratet und habe eine zweieinhalbjährige Tochter. Außerdem gehören noch zwei Hunde zu unserer Familie. Ich habe meine Frau in Spanien kennengelernt, als ich während meines Maschinenbaustudiums meine Bachelorarbeit bei dem Automobilzulieferer Grupo Antolin geschrieben habe. Dort habe ich in der Forschungsabteilung mit Kohlenstoff-Nano-Fasern (CNF) gearbeitet und mit verschiedenen Methoden ausprobiert, wie sich diese Fasern mechanisch modifizieren lassen. Aus dieser Arbeit ist ein guter Kontakt entstanden und auch heute arbeiten wir noch eng zusammen. Zurück in Bochum habe ich an der Ruhr Universität in Kooperation mit der Westfälischen Hochschule meine Masterarbeit gemacht und hier im Westfälischen Energieinstitut Brennstoffzellen mit Kohlenstoff-Nano-Fasern an der Sauerstoffseite aufgebaut.
In deiner Promotion und jetzt in deinem Start-up Hydrogenea hast du eine neue Membran-Elektroden-Einheit (MEA) entwickelt. Wie kam es nach dem Maschinenbaustudium zu dem Wechsel in die technische Chemie?
In der Schule und im Studium ist der Weg durch Verlaufspläne vorgezeichnet. Im Laufe meines Masters habe ich noch einmal überlegt, was für eine Karriere ich eigentlich machen möchte und worauf ich später einmal zurückblicken möchte. Fest stand für mich, dass ich etwas im Bereich erneuerbare Energien machen wollte. Hier am Institut hat sich die tolle Chance im Wasserstoffbereich geboten, eine kooperative Promotion an der Ruhr Universität Bochum und der Westfälischen Hochschule im Bereich der Brennstoffzelle in der Arbeitsgemeinschaft von Professor Brodmann zu machen. Dazu wollte ich genauer verstehen, wie ein Katalysator funktioniert und habe für meine Promotion einen neuen Themenbereich gewählt, die technische Chemie. Mein Doktorvater Professor Muhler an der Ruhr Universität war technischer Chemiker durch und durch und hat mir sehr dabei geholfen, die Theorie aufzuarbeiten. Der Austausch mit den Professor*innen und die Vorlesungen haben mich letztlich dazu befähigt, das Ganze effizient anzugehen. Beim Aufarbeiten der Theorie stand neben den Katalysatormaterialien wie Iridium oder Platin auch CNF wieder im Fokus. Im meiner Promotion habe ich erforscht, wie ich CNF und Platin weiter funktionalisieren und als neue Katalysatorschicht miteinander verbinden kann. Eine MEA hat im Grunde mehrere Schichten bestehend aus Membran und Kohlenstoffpapier mit dem Katalysator dazwischen. Ich habe einen Katalysator mit Kohlenstoff-Nanofasern aufgebaut und diese so aufbereitet, dass ich das Platin daran fixieren kann.
Welchen Vorteil haben CNF gegenüber den herkömmlich verwendeten Kohlenstoffpartikeln?
Die Kohlenstoff-Nano-Fasern haben einen Vorteil: Sie sind sehr geordnet, das heißt, sie korrodieren nicht, was der Langlebigkeit der Brennstoffzelle oder dem Elektrolyseur sehr zu Gute kommt. Allerdings geht damit einher, dass das Platin nicht gut an ihnen haftet, da ihre Struktur zu glatt ist. Das heißt, ich musste die Fasern so weit modifizieren, dass das Platin an ihnen haftet, ohne dass sie anfangen zu korrodieren. An der Westfälischen Hochschule konnte ich meine Lösung praktisch im Fahrzeug-Maßstab umsetzen und im Prüfstand testen.
Wie bist du auf die Idee gekommen, dich selbstständig zu machen?
2019 habe ich noch während meiner Promotion einen Stopp in der Industrie bei AVL, einem Automobilzulieferer aus Graz gemacht, der eine große Abteilung für den Bereich Brennstoffzelle hatte. Ich wollte wissen, wie industrierelevant meine Forschung tatsächlich ist. Dabei hat sich gezeigt, wieviel Potenzial in meiner Doktorarbeit steckt. Außerdem haben meine Industrieerfahrungen mir vor Augen geführt, dass ich eigentlich nicht in einem Konzern arbeiten möchte, auch wenn das eine sehr schöne Zeit in tollen Teams war. Aber in einem großen Unternehmen eigene Ideen zu verwirklichen, ist nicht immer einfach, da die Wege oft länger sind. Ich möchte selbstbestimmt etwas machen und meine eigene Vision verfolgen. Deshalb kam mir 2019 der Gedanke, mich selbstständig zu machen. Zur Vorbereitung auf meine Selbstständigkeit habe ich anschließend, zurück in Deutschland, ein Projekt beantragt, in dem ich das Auftragen der Nano-Fasern auf das Kohlenstoffpapier und die Galvanik zur Beschichtung der Fasern mit dem Platin in einem kontinuierlichen Prozess automatisiert habe. Vorher habe ich alles im Batchbetrieb und vieles händisch gemacht. Das war viel zu aufwendig, um es als Produkt anbieten zu können.
Was ist das Innovative an eurem Produkt?
Drei Ziele habe ich bei der Entwicklung verfolgt: Einfach, skalierbar und haltbar muss es sein. Deshalb habe ich bei der Produktion der Katalysatorschicht zwei Dinge miteinander kombiniert: Kohlenstoff-Nano-Fasern als Trägermaterial und Galvanik als elektrochemischen Prozess, mit dem wir das Platin oder jedes andere Metall aufbringen. Überall in der Industrie werden mithilfe von Galvanik Werkstücke beschichtet, nur eben nicht in der Katalysator-Produktion der Protonen-Austausch-Membran-Technologie. Die Herstellung haben wir zu einem kontinuierlichen Prozess entwickelt. Um die Haltbarkeit noch weiter zu steigern, verwenden wir reines Platin – und davon möglichst wenig – und keine Legierungen, die sich negativ auf die Haltbarkeit auswirken. Mit unserem Verfahren bieten wir eine viel höhere Haltbarkeit – Faktor 10 bei der Brennstoffzelle. Außerdem können wir die Effizienz steigern. Bei der Elektrolysezelle verbrauchen wir über die Jahre hinweg deutlich weniger Strom und können das Produkt viel länger benutzen. So können wir die Betriebskosten senken.
Warum ist die Haltbarkeit so wichtig?
Besonders im Transportbereich ist das ein Thema. LKW laufen etwa 30.000 – 40.000 Betriebsstunden. Für dieses Anwendungsfeld wird diese Technologie gebraucht. Auch in Zügen, Schiffen oder Flugzeugen kann unsere Katalysatorschicht in Zukunft verbaut werden. Wenn wir uns auf der anderen Seite die Elektrolyseure anschauen, ist die Haltbarkeit ebenfalls ein Knackpunkt. Die sollen 80.000 Stunden laufen, aber niemand weiß zum jetzigen Zeitpunkt, ob sie wirklich so lange durchhalten. Und selbst diese 80.000 Stunden sind nur 10 Jahre Betrieb, was für einen Business Case nicht lang ist. Wenn etwa ein Windrad Wasserstoff für eine Chemieanlage produzieren soll, dann wird der Wasserstoff in der Regel nicht nur die nächsten zehn Jahre gebraucht, sondern eher die nächsten 20 bis 30 Jahre.
Aktuell setzt die Automobilbranche vor allem auf die Batterietechnik. Wie schätzt du die Entwicklung der beiden Technologien in Zukunft ein?
Wir brauchen auf jeden Fall beides. Die Batterie hat sich vor allem für kürzere Strecken von 200 bis 300 km und für leichtere Fahrzeuge durchgesetzt, also für PKW. Darüber hinaus braucht die Batterie mehr Batteriezellen, um eine höhere Reichweite zu erreichen. Im Fall der Brennstoffzelle braucht ein Fahrzeug zwar einen zweiten oder dritten Tank für Wasserstoff, aber der Brennstoffzellen-Stack bleibt derselbe, also steigt auch nicht der Verbrauch der Ressourcen. Ein LKW mit Brennstoffzelle ist nach zehn Minuten vollgetankt und fährt wieder 1.000 km. Auf der anderen Seite brauchen wir Wasserstoff überall, nicht nur im Verkehr. Im Jahr 2020 lag der Wasserstoffbedarf weltweit bei 90 Megatonnen. Davon wurde nicht einmal ein Prozent grün hergestellt, sondern mithilfe fossiler Energieträger. Das muss sich ändern. Aktuell gehen Fachleute davon aus, dass in 2025 global etwa 50 Gigawatt pro Jahr durch Elektrolyse und 30 Gigawatt pro Jahr durch Brennstoffzellen gebraucht werden. Für diese Mengen haben wir aktuell nur einen Bruchteil an Herstellungskapazitäten. Daher kommen wir mit unserem Produkt zu einem guten Zeitpunkt in den Markt.
Welches Ziel verfolgst du mit Hydrogenea?
In Deutschland konzentrieren sich viele Hersteller auf die Stack-Produktion. Wir wollen die besten Anbieter für MEA oder genauer für die darin enthaltene Katalysatorschicht sein. Das heißt, wir sind Zulieferer für die Stack-Hersteller.
Was sind die nächsten Milestones?
Aktuell stehen wir vor der technischen Skalierung. Wir haben eine neue Anlage für den kontinuierlichen Herstellungsprozess anfertigen lassen, die wir Anfang nächsten Jahres in Betrieb nehmen werden. In diesem Zeitraum wollen wir dann auch eine GmbH gründen und mit den ersten Kunden starten die bereits großes Interesse gezeigt haben. Wir möchten unser Team erweitern und suchen aktuell neue Kolleg*innen aus den Bereichen Wirtschaftswissenschaften und Chemie oder dem Ingenieurwesen. Außerdem bieten wir immer spannende Stellen für studentische Aushilfskräfte. Initiativbewerbungen sind herzlich willkommen!
Womit verbringst du deine Zeit am liebsten, wenn du nicht für Hydrogenea arbeitest?
Neben der Chance, beruflich jetzt mit meiner eigenen Firma durchzustarten, ist mir die Familie sehr wichtig. Meine Freizeit versuche ich so oft es geht mit meiner Tochter zu verbringen und nehme sie überall hin mit. Dann gehen wir mit den Hunden spazieren oder kaufen zusammen ein. Generell verbringen wir viel Zeit im Garten oder bei kleineren Reparaturen am Haus. Sonntag ist immer Familientag – da ist Zeit für schöne Ausflüge in die grüne Umgebung des Ruhrgebiets. Mit ihr Bücher zu lesen oder ihr Sachen beizubringen, macht mir sehr viel Spaß. Ich mache zuhause viel handwerklich und sie ist immer dabei. Früher hat das mein Vater mit mir so gemacht und jetzt gebe ich das weiter. Das ist toll für mich.
Hydrogenea
Hydrogenea ist ein junges Start-up aus Gelsenkirchen, das den Wasserstoffmarkt mit einer neuen Membran-Elektroden-Einheit in Zukunft effizienter und langlebiger machen will. Firmengründer Dr. Pit Yannick Podleschny hat eine neue Elektrode entwickelt, die sich sowohl für die Elektrolyse als auch für den Einsatz in der Brennstoffzelle eignet. Ein selbstentwickeltes Papier aus Kohlenstoff-Nano-Fasern dient als Trägermaterial, auf das mithilfe elektrochemischer Abscheidung reines Platin aufgebracht wird. Die Herstellung des Kohlenstoffpapier sowie die Galvanik zur Aufbringung des Katalysators Platin läuft in einem kontinuierlichen Prozess ab. Dieses Verfahren eignet sich für beide Arten der Elektrolyse, die PEM (Proton Exchange Membrane) und die AEM (Alkaline Exchange Membrane).