e-cargo: Im Gespräch mit Dirk Fromme
Dirk Fromme verbindet den lokalen Einzelhandel mit einem nachhaltigen Lieferdienst
Lesedauer: 8 Minuten

Elektromobilität, Mehrwegverpackungen und smarte Tourenplanung: Mit e-cargo geht in Bochum ein Logistik-Start-up neue Wege – nachhaltig, digital und praxisnah. Im Gespräch mit ruhrvalley.tech gibt Gründer Dirk Fromme spannende Einblicke in die Entstehungsgeschichte von e-cargo, die Herausforderungen im urbanen Lieferverkehr und die Vision einer grüneren letzten Meile.
Könnten Sie sich und Ihr Unternehmen vorstellen und uns die Gründungsgeschichte von e-cargo etwas näherbringen?
Mein Name ist Dirk Fromme, Gründer von e-cargo aus Bochum. Wir entwickeln nachhaltige Last-Mile-Logistik-Konzepte und setzen diese auch selbst um. Unser Ziel ist es, den urbanen Warenverkehr und die Paketzustellung effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten – mit einem klaren Fokus auf Elektromobilität.
Dabei geht es uns nicht nur um den reinen Austausch von Verbrenner- gegen Elektrofahrzeuge. Vielmehr wollen wir durch neue Konzepte den städtischen Verkehr entlasten. Ein Beispiel ist die Bündelung verschiedener Paketdienstleister unter einer White-Label-Lösung, um unnötige Fahrten zu vermeiden. Auch der Einsatz von Micro-Hubs in Stadtteilen gehört zu unseren Ansätzen.
Ursprünglich wollten wir ausschließlich beraten und Konzepte entwickeln. Doch während der Corona-Pandemie, als viele Geschäfte schließen mussten, wurden wir selbst zum Logistikdienstleister. Anfangs eine ungewohnte Herausforderung, doch schnell erkannten wir den Mehrwert: Wir haben aus erster Hand erfahren, wo die praktischen Schwierigkeiten in der Logistik liegen. Dadurch können wir heute nicht nur Konzepte entwerfen, sondern diese auch praxisnah umsetzen.
Mittlerweile ist die operative Logistik ein zentraler Bestandteil unseres Unternehmens. Mit einer wachsenden Elektroflotte beliefern wir Händler und Endkunden, fahren emissionsfrei Tausende Kilometer im Stadtgebiet und setzen, wo möglich, auch Lastenfahrräder ein. Allerdings haben wir festgestellt, dass die Reichweitenanforderungen in vielen Stadtgebieten den Einsatz von Elektrotransportern effizienter machen.
Heute stehen wir auf zwei Säulen: Wir beraten Unternehmen in nachhaltiger Logistik und wickeln gleichzeitig Transporte selbst ab. Diese Kombination ermöglicht es uns, durchdachte Konzepte nicht nur zu entwickeln, sondern auch in der Praxis zu optimieren.
OK, sagen wir mal, ich wäre ein interessierter Händler und ich kontaktiere sie. Wie würde dann so der Prozess von der Kontaktaufnahme bis zu der Auslieferung der Produkte aussehen?
Der Ablauf für Händler, die mit e-cargo zusammenarbeiten möchten, ist denkbar einfach, da wir auf optimierte Prozesse und maximale Flexibilität setzen. Zunächst klären wir, wann die Ware bereitsteht, und erhalten die Lieferadressen. Diese können entweder über unser Händler-Login auf der Webplattform, eine direkte Schnittstelle zu E-Commerce-Shops wie Shopify oder per manuellen Upload übermittelt werden. Dank unserer digitalen Infrastruktur erfassen wir Bestellungen in Echtzeit und starten unmittelbar mit der Planung.
Für den Raum Bochum und angrenzende Gebiete bieten wir ein nachhaltiges Mehrwegsystem an. Händler erhalten von uns wiederverwendbare Transportboxen, die wir bei der nächsten Abholung gegen leere Boxen tauschen. Das reduziert Verpackungsmüll und spart Kartonagen. Zusätzlich bieten wir umweltfreundliche Verpackungslösungen wie Versandtaschen aus Seegras oder recyceltem Papier an.
Sobald alle Daten vorliegen, läuft die Tourenplanung automatisiert. Unsere Fahrer erhalten die optimale Route direkt auf ihr Tablet im Fahrzeug. Zum vereinbarten Zeitpunkt holen wir die Ware ab und liefern sie – oft noch am selben Tag – an die Empfänger aus. Kurz gesagt: Der Händler liefert die Daten, wir übernehmen den Rest – schnell, zuverlässig und nachhaltig.
Wieviel Autos und Lastenfahrräder sind bei Ihnen gerade in Betrieb?
Wir haben hier in Bochum jetzt , das reicht völlig im Moment aus, weil die Pakete, die wir fahren, sind alle relativ klein. Das kennen wir auch so aus dem Amazon Geschäft. In der Spitzenzeit fahren wir so um die 100 Pakete je Fahrzeug ungefähr auf einen halben Tag gesehen, das ist ganz gut. Da ist noch Luft nach oben. Das hängt einfach davon ab, was für Kunden wir in der Zukunft bekommen. Wir kommen mit dem, was wir im Moment haben, ganz gut hin. Aber wir, wir wollen das Ganze auch noch weiter ausbauen.
Stichwort ausbauen: Was ist denn so die Zukunftsvision oder die langfristige Version für das Unternehmen?
Logistik und E-Commerce sind heute untrennbar miteinander verbunden. Während wir weiterhin lokale Händler unterstützen, sind die meisten mittlerweile auch im Online-Geschäft aktiv. Unser Ziel ist es, noch mehr Nachhaltigkeit in diesen Bereich zu bringen – sei es durch eine Reduktion des Verkehrs oder durch den Einsatz umweltfreundlicher Lösungen entlang der gesamten Lieferkette. Also wenn wir gar keinen Verkehr mehr hätten, wäre es natürlich eigentlich super, aber das kriegen wir nicht hin, weil irgendwie müssen die Pakete ja von A nach B kommen, aber wir möchten da einen hohen Grad an Nachhaltigkeit hineinbekomme.
Elektrofahrzeuge sind dabei ein erster wichtiger Schritt, doch Nachhaltigkeit endet nicht bei der Zustellung. Wir setzen auf umweltfreundliche Verpackungen und arbeiten bevorzugt mit Händlern zusammen, die nachhaltige Produkte anbieten. Zwar können wir nicht jede Bestellung kontrollieren, aber wir würden beispielsweise keinen Ölkanister mit Neuöl ausliefern.
Unser Fokus liegt darauf, Verpackung und Versand so umweltfreundlich wie möglich zu gestalten – sei es durch Mehrwegboxen oder nachhaltige Alternativen zu herkömmlicher Folienverpackung. Zudem möchten wir unser Liefergebiet weiter ausbauen und das gesamte Ruhrgebiet von Duisburg bis Dortmund nachhaltig beliefern. Jeder Schritt in diese Richtung bringt uns näher an unser Ziel: eine umweltfreundlichere Logistik für den E-Commerce.
Das hört sich sehr gut an. Sie meinten ja vorhin, dass Sie in den Logistikbereich reingerutscht sind. Was für Herausforderungen gibt es denn konkret im Logistikbereich und wie versuchen sie die zu beheben?
Die Logistik bringt zwei wesentliche Herausforderungen mit sich. Erstens geht es darum, Massenströme effizient zu bündeln, um die Verkehrsbelastung zu reduzieren. Das erfordert durchdachte Konzepte, die jedoch nur begrenzt umsetzbar sind. Zweitens stellt die Elektromobilität eigene Anforderungen. Anders als bei Verbrennern müssen wir stets sicherstellen, dass unsere Fahrzeuge geladen sind – sowohl über Nacht als auch für Zwischennutzungen am Tag. Zwar verbessern sich die Reichweiten kontinuierlich, sodass wir mittlerweile nur noch alle zwei Tage laden müssen statt täglich, doch die Ladeinfrastruktur bleibt eine Herausforderung. Bereits zwei Fahrzeuge gleichzeitig über Nacht zu laden, kann problematisch sein. Mit der Expansion unseres Unternehmens wachsen auch die Anforderungen an die Infrastruktur. Mehr Fahrzeuge bedeuten mehr Ladepunkte, weshalb wir bei zukünftigen Standortwechseln genau darauf achten, dass die Elektrik optimale Bedingungen für unsere Flotte bietet. Trotz dieser Herausforderungen ist die Entwicklung spannend, und die Verbesserungen in der Technologie erleichtern unsere Arbeit zunehmend.
Welche digitalen Innovationen treibt Ihr Unternehmen voran? Nutzen Sie zum Beispiel auch gewisse Automatisierungsprozesse oder KI?
Ja, klar! Wir setzen stark auf digitale Innovationen. Erst kürzlich haben wir unsere neue Webseite mit integrierten Applikationen live geschaltet. Es geht dabei weniger um die Webseite selbst, sondern um die dahinterliegenden Prozesse. Händler haben jetzt einen eigenen Login, über den sie ihre Sendungen direkt hochladen können – auch noch kurzfristig, während der Fahrer bereits auf Tour ist. Die Daten werden automatisch verarbeitet, und der Fahrer erhält die neuen Stopps sofort auf sein Tablet. Zudem bieten wir eine präzisere Lieferzeitprognose. Sobald die Routenplanung steht, kann der Endkunde genau sehen, wann die Lieferung ankommt – mit einer Abweichung von nur etwa zehn Minuten. Das verbessert die Planung für alle Beteiligten und steigert die Effizienz. Auch in der Routenoptimierung setzen wir auf digitale Tools. Durch intelligente Bündelung lassen sich Verkehrsströme reduzieren, was nicht nur nachhaltiger ist, sondern auch die Liefergeschwindigkeit erhöht. Solche Automatisierungen helfen uns, die Logistikprozesse stetig zu verbessern.
Auf Ihrer Webseite sind nur Sie und ein Projektmanager aufgeführt. Wie bewältigen Sie mit einem so kleinen Team die wachsenden Herausforderungen Ihres Unternehmens?
Tatsächlich sind wir mehr als nur zwei Personen. Unser Team umfasst Fahrer, eine Büromitarbeiterin und weitere Kollegen, die wir gerade einstellen. Wir setzen auf ein starkes, zuverlässiges Team, das mit Begeisterung arbeitet. Wachstum bedeutet für uns auch, Kapazitäten gezielt zu erweitern – sowohl bei den Fahrern als auch bei den Fahrzeugen. Gleichzeitig legen wir großen Wert auf gute Arbeitsbedingungen. Unsere Fahrer haben keinen extremen Zeitdruck, und unsere Fahrzeuge bleiben langfristig in unserer Flotte, statt regelmäßig durch Leasing ersetzt zu werden.
Das unterscheidet uns von großen Paketdienstleistern, wo hoher Druck oft zu schlechten Arbeitsbedingungen führt. Für uns ist Nachhaltigkeit nicht nur eine Frage der Umwelt, sondern auch des Umgangs mit unseren Mitarbeitern. Zudem wollen wir das Bewusstsein dafür schärfen, dass nachhaltige Lieferungen oft etwas teurer sind – Händler und Kunden haben bei uns die Möglichkeit, sich bewusst für eine umweltfreundlichere Zustellung zu entscheiden, auch wenn sie vielleicht 50 Cent mehr kostet.
Glauben Sie, dass sich angesichts der momentanen politischen Lage und dadurch, dass Klima und Nachhaltigkeit nicht mehr oberste Priorität einnehmen, dass sich Ihre Arbeit ebenso verändern wird? Und wie planen sie dagegen vorzugehen?
Ja, ich habe schon das Gefühl, dass es in den letzten Wochen Veränderungen gibt. Aber ich denke, der Trend zu mehr Nachhaltigkeit wird sich weiterentwickeln. Wir merken zum Beispiel, dass Kunden immer häufiger die nachhaltige Zustellung wählen, auch wenn es einen kleinen Aufpreis kostet. Das zeigt, dass das Interesse an nachhaltigen Lösungen wächst. Natürlich können wir das nicht alleine stemmen, aber ich hoffe, dass die positiven Entwicklungen durch äußere Einflüsse nicht gestoppt werden. Ich bin zuversichtlich, dass Nachhaltigkeit, auch durch europäische CO2-Vorgaben, weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird.
Sie haben ja jetzt sozusagen vierjähriges Jubiläum. Herzlichen Glückwunsch! Wenn sie ihrem Jüngeren ich einen Ratschlag geben könnten mit ihrer Erfahrung jetzt, was würden Sie für einen Ratschlag geben?
Also das ist eher eine grundsätzliche Frage, wenn wir mal so über Start-up Kultur nachdenken. Für ein Start-up ist es wichtig, eine fundierte Ausbildung und Praxiserfahrung zu haben, bevor man eine gute Idee entwickelt. Ich würde jungen Unternehmern empfehlen, langsam und kontrolliert zu wachsen, statt gleich nach großen Zielen zu greifen. Es geht darum, realistisch und organisiert vorzugehen, mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben. Ein bisschen träumen darf man natürlich, aber man muss auch einen langen Atem haben, um zu wachsen und die Ideen umzusetzen.
Haben Sie noch etwas, das Ihnen wichtig ist, zu sagen?
Nachhaltigkeit sollte in der gesamten Wertschöpfungskette berücksichtigt werden. Besonders in Bereichen wie Verpackung und Logistik kann viel bewirkt werden, zum Beispiel durch Mehrwegverpackungen oder den Einsatz von E-Fahrzeugen. Auch kleine Veränderungen können große Hebelwirkung haben, vor allem bei Massenprodukten. Es ist wichtig, dass jeder seinen Teil zur Nachhaltigkeit beiträgt, und wir fokussieren uns darauf, den letzten Teil des Prozesses nachhaltig zu gestalten. Unternehmen, wie auch im Lebensmittelhandel, setzen bereits auf regionale Produkte oder nachhaltigere Verpackungen. Jeder Schritt zählt.

Dirk Fromme
Dirk Fromme ist Diplom-Kaufmann und Gründer/Geschäftsführer von e-cargo. Zuvor war der studierte Wirtschaftswissenschaftler rund 15 Jahre bei einer großen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft tätig. Mit e-cargo können Einzelhändler ihre Kundinnen und Kunden vor Ort oft noch am selben Tag beliefern. Dabei holt e-cargo die Waren beim Händler ab und liefert sie emissionsfrei mit Elektro-Lieferfahrzeugen aus.
Fotos: e-cargo