Wie technische Lösungen zur nachhaltigen Entwicklung beitragen können

Interview über die Forschung an nachhaltigen Energie- und Versorgungskonzepten

Lesedauer: 10 Minuten

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Wie technische Lösungen zur nachhaltigen Entwicklung beitragen können
Monique

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Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Doch wie lässt sich Nachhaltigkeit wissenschaftlich bestimmen? Damit beschäftigt sich das Team des Labors für Nachhaltigkeit in der Technik (LNT) der Hochschule Bochum unter der Leitung von Professor Dr. Semih Severengiz. Dabei arbeitet es nicht nur daran, herauszufinden, wie nachhaltig etwas ist, sondern untersucht auch, wie Nutzerinnen und Nutzer mit neuen Lösungen umgehen. Welche Rolle Batterieladestationen oder Minigrid-Systeme dabei spielen, erklärt Désirée Rottmann vom LNT.

Nachhaltigkeit in der Technik – was verstehen du und dein Team darunter?

Grundsätzlich stellen wir uns die Frage, wie technische Lösungen zur nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Dabei bewerten wir den gesamten Lebenszyklus eines einzelnen Produkts, aber auch komplexer technischer Systeme aus den Perspektiven Ökologie, Gesellschaft und Ökonomie. Wir wollen mit unserer Arbeit die nachhaltige Entwicklung vorantreiben und innovative Lösungen entwickeln, die in der Praxis umgesetzt werden. Ebenso möchten wir unser Wissen in die Gesellschaft vermitteln, so dass die Akzeptanz unserer Konzepte und Lösungen weiter anwächst.

Was macht ein Produkt oder ein technisches System nachhaltig?

Ein nachhaltiges Produkt oder ein technisches System trägt aus ökologischer, sozialer sowie wirtschaftlicher Sicht einer langfristigen nachhaltigen Entwicklung bei. Die Faktoren, die auf die drei Perspektiven Einfluss nehmen, sind sehr vielfältig. Neben anderen Größen für Umweltwirkungen, sollte das Global Warming Potential, also das Erderwärmungspotenzial, eines Produktes so gering wie nur möglich gehalten werden. Dies wird durch die Einsparung von Treibhausgasemissionen wie zum Beispiel Kohlenstoffdioxid oder Methan im gesamten Lebenszyklus erreicht. In der sozialen Dimension werden Faktoren wie etwa Gesundheitsauswirkungen, Nutzerfreundlichkeit oder auch die ethische Verantwortbarkeit betrachtet und an die Bedürfnisse der Menschen angepasst. Damit Unternehmen oder Institutionen einen wirtschaftlichen Nutzen aus den Produkten oder technischen Systemen ziehen können, wird außerdem die Wirtschaftlichkeit betrachtet. Unsere Forschungsarbeiten haben ergeben, dass elektrische Leichtfahrzeuge zur Verkehrswende beitragen können und sogar weniger THG-Emissionen verursachen können als etwa der öffentliche Nahverkehr. Besonders vorteilhaft wird es, wenn auch die Energieversorgung nachhaltig bereitgestellt wird.

Welche Themen beschäftigen euch konkret und wie forscht ihr daran?

Wir führen hauptsächlich angewandte Forschung durch. Das heißt, wir entwickeln auf empirische Weise Konzepte und Modelle, die wir in der Praxis umsetzen und testen. Zum Beispiel in unserem Reallabor im Ruhrgebiet. Dort haben wir zuerst ein Konzept für ein innovatives nachhaltiges Sharing-Angebot von elektrischen Leichtfahrzeugen entwickelt, das wir nun zusammen mit den Städten Oberhausen und Essen sowie weiteren Partnern unter realen Bedingungen erproben wollen. Dabei arbeiten wir mit Solarladestationen und Batteriewechselstationen. Wir erfassen deren Nutzungsdaten, werten sie aus und untersuchen daran verschiedene Fragestellungen: Wie können Solarlade- und Batteriewechselstationen zur Energiewende beitragen? Wie können wir die Nutzerakzeptanz steigern? Oder wie gelingt es uns, Nutzerinnen und Nutzer zu motivieren und zu befähigen, Batteriewechselvorgänge selbst vorzunehmen? Ein weiteres Beispiel ist der Don Bosco Campus in Ghana. Dort haben wir ein Minigrid-System installiert, das die Gebäude über Photovoltaikanlagen mit Strom versorgt und miteinander vernetzt. So kann jedes Gebäude auf die erzeugte Energie aller Anlagen im System bei Bedarf zurückgreifen. Wir wollen herausfinden, wie diese Konzepte auf weitere Regionen übertragen werden können. Zukünftig planen wir, dort mit Hilfe von Elektrolyse Wasserstoff zu erzeugen. Dieser soll dann in Wasserstofftanks gespeichert werden, um so etwa die Stromversorgung bei Nacht zu gewährleisten.

Wie setzt sich euer Team zusammen?

Wir sind ein 13-köpfiges Team und sehr interdisziplinär aufgestellt: Viele von uns haben einen Nachhaltigkeitshintergrund und zum Beispiel nachhaltige Entwicklung oder angewandte Nachhaltigkeit studiert. Außerdem gehören Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus den Bereichen Ingenieurwesen, Elektrotechnik, Informatik, Psychologie, Sozialwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften dazu.

Ihr arbeitet viel mit Partnerinnen und Partnern aus Wirtschaft und Kommune zusammen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?

Unsere Partnerinnen und Partner spielen eine sehr wichtige Rolle bei der praktischen Umsetzung der Reallabore. Das bringt den Vorteil mit sich, dass wir sehr realitätsnah arbeiten können. Beispielsweise stellt die Energieversorgung Oberhausen AG (EVO) den Sharing-Dienst unseres Reallabors zur Verfügung und für das Laden der E-Mopeds stellt das Unternehmen SunCrafter GmbH Off-Grid Solarstationen bereit.

An welchen Themen forschst du gerade?

Ich forsche an Themen im Bereich der nachhaltigen Mobilität. Vor allem geht es dabei um die Entwicklung von Betriebs- und Geschäftsmodellen. Das heißt, ich entwickle Konzepte, die dazu dienen, die vernetzte Mobilität zu beschreiben und schließlich wirtschaftlich rentabel für Herstellende, Anbietende und Nutzende zu gestalten. Dazu gehören alternative Ladesysteme wie Batteriewechselstationen. Der Fokus liegt dabei natürlich auf der Nachhaltigkeit der Konzepte.

Was magst du an der Arbeit am Labor für Nachhaltigkeit in der Technik besonders?

Ich mag die Allrounder Tätigkeit, also die Kombination aus inhaltlich wissenschaftlicher Forschungsarbeit mit innovativen und transformativen Themen, die mich auch persönlich sehr interessieren und das Projektmanagement. Und ich mag mein Team sehr gerne. Wir haben einen sehr starken Zusammenhalt und unterstützen uns bei allen möglichen Aufgaben und Problemen.

Désirée Rottmann

Désirée Rottmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Bochum. Am Labor für Nachhaltigkeit in der Technik erforscht sie zusammen mit Frederick Adjei, Alicia Altendeitering, Oskar Bauer, Alina Dicke, Lena Fuhg, Malte Hingst, Elisa Ormanin, Jaron Schünemann, Lukas Sturm, Hermann Straßberger und Projektleiter Professor Dr. Semih Severengiz die Nachhaltigkeit von Produkten und technischen Systemen.