Effizientes MiniHaus: Kleines Haus als Lösung für große soziale Herausforderungen

Eine nachhaltige Lösung für soziale Herausforderungen

Lesedauer: 10 Minuten

EnergieStart-up
Effizientes MiniHaus: Kleines Haus als Lösung für große soziale Herausforderungen

Anna-Karina

Im Interview mit Sonja Podjawerschek sprechen wir über das spannende Projekt „Effizientes Minihaus“  – ein mobiles und autarkes Mini-Haus, das für Obdachlose entwickelt wurde. Sie erzählt, wie aus einer Idee ein interdisziplinäres Vorzeigeprojekt entstand, das Nachhaltigkeit, Funktionalität und soziale Verantwortung vereint. Erfahren Sie, welche Herausforderungen gemeistert wurden, welche Rolle Obdachlose bei der Entwicklung spielten und wie das Projekt die Zusammenarbeit an der Hochschule revolutionierte.

Könntest du dich vorstellen und deine Rolle bei der Entwicklung des „Effizienten Minihauses“ beschreiben?

Ich bin Sonja Podjawerschek, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Campus Velbert/Heiligenhaus im Fachbereich Informatik und Elektrotechnik. Privat habe ich in Altenessen das Projekt Gabenzaun unterstützt, bei dem jeden Samstag 200 Tüten mit Lebensmittel- oder Kleiderspenden an Bedürftige verteilt werden. Die Idee, den Obdachlosen im Winter zu helfen, führte zu einer Kooperation mit „Little Homes EV“, die kleine Häuser für Obdachlose aufstellt. Nachdem wir keinen Platz bei der Kirche oder Stadt Essen finden konnten, stellte uns das insolvente Krankenhaus „Contilia“ eine Wiese zur Verfügung, unter der Bedingung, dass die Häuser mobil bleiben. Im März letzten Jahres kamen die Häuschen, und wir brachten zwei Obdachlose unter. Es gibt Verträge, die den Verzicht auf Drogen und Alkohol sowie die Sauberkeit der Häuser sicherstellen. Vor der Planung und der Konstruktion besuchte das ganze Team die Obdachlosen in Altenessen und sammelte Verbesserungsvorschläge, um das Haus technisch zu optimieren, ohne den Kostenrahmen zu sprengen. Aus meinem Interesse an Technik habe ich eine Solaranlage auf das Haus gesetzt, um es autark zu machen. Mit vielen Verbesserungsvorschlägen begann ich, das Projekt weiterzuentwickeln. Ein Student von mir, Gianluca Podan konnte sich auch vorstellen das Haus zu konstruieren. Zusammen mit Professor Stefan Breuer, der sich mit Nachhaltigkeit beschäftigt, fanden wir einen passenden Rahmen. Stefan konnte das Materialbudget von etwa 3000 € decken. Herr Gerhard übernahm die Elektrik, und so bauten wir das Haus innerhalb eines Semesters zu viert.

Also habt ihr das praktisch offen im Austausch dann auch mit den obdachlosen Menschen gemacht?

Genau, so hat es begonnen. Wir dachten, es gibt auch hier Obdachlose, also könnten wir das Haus hier aufstellen und von ihnen testen lassen. Doch als wir mit der Stadt Heiligenhaus sprachen, wurde uns zu verstehen gegeben, dass das hier nicht gewollt ist. Wir fragten uns, was wir jetzt mit dem Häuschen machen sollten. Wir hatten im März letzten Jahres angefangen und es im August fertiggestellt. Der Zeitrahmen war also relativ kurz. Es gab auch Sponsoren, die die Idee unterstützten. Mitsubishi sponserte die Klimaanlage, und Gira stellte uns Schalter zur Verfügung. Im August haben wir das Haus vorgestellt, aber zum Testen waren wir noch nicht bereit. Besonders bei der Elektrik und den Solarmodulen mussten wir noch einiges ausrechnen, um den Innenbetrieb richtig hinzubekommen. Bis Mitte letzten Jahres, also Ende des Winters, hatten wir dann alles fertig. Da wir es nicht so testen konnten, wie geplant, entschieden wir, das Haus weiterzuentwickeln und die Konstruktionspläne sowie technische Projekte zu veröffentlichen. So kann jeder, der möchte, davon profitieren. Unser Ziel ist es, zu sehen, was wir mit unserer Kompetenz hier erreichen können, und das dann frei zugänglich zu machen. Wir bieten eine Vorlage und dokumentieren unsere Erfahrungen und Misserfolge. Wenn etwas funktioniert oder auch nicht, teilen wir das. Das ist die Grundidee. Wir haben das Effmi Haus für alle Fachbereiche unseres Campus geöffnet, damit Studenten fachübergreifend daran arbeiten können. Das wurde sehr gut angenommen, und seitdem sind viele neue Projekte entstanden.

Habt ihr euch an bestehenden Konzepten orientiert, wie zum Beispiel Tiny Houses oder den bereits existierenden aus Köln?

Die Kölner Häuser waren die Grundlage, die wir verbessert haben. Zunächst waren sie für Obdachlose konzipiert, aber unser Fokus hat sich geändert. Jetzt soll das Haus für zwei Studenten nutzbar sein – zum Arbeiten und auch zum Übernachten, beispielsweise für Gäste der Hochschule. Besonders wichtig sind dabei die Raumluftkonditionierung und der Brandschutz. Es soll ein autarkes Haus sein, wo man genug Strom hat, um die Grundbedürfnisse zu decken. Wir planen auch, eine Trenntoilette einzubauen, die draußen stehen soll, und haben ein Zelt gekauft, das drumherum aufgebaut wird. Auch eine kleine Dusche, die Regenwasser nutzt, ist in Planung. Wir hatten nie den Anspruch, hochmoderne, teure Tiny Houses zu bauen, wie man sie für 60.000 bis 70.000 Euro kaufen kann. Unser Projekt war eher ein Zwischending – einfach, aber effizient.

Und was waren konkrete Verbesserungsvorschläge, die von den obdachlosen Menschen kamen und die ihr umgesetzt habt?

Ja, es ging vor allem um die Isolierung – Boden- und Deckenisolierung waren gar nicht vorhanden. Auch schließbare Türen waren wichtig, also eine Tür, die wirklich sicher verschlossen werden kann, weil es vorher stark zog. Außerdem fehlten Strom und Wasser. Das ursprüngliche Konzept war nur darauf ausgelegt, dass die Menschen nicht erfrieren und es etwas wärmer ist als auf der Straße. Es ging vor allem darum, Privatsphäre zu schaffen, damit man einen Raum hat, den man abschließen kann und nicht bestohlen oder geschlagen wird, während man schläft. Das sind zwei sehr wichtige psychologische Aspekte. Die Idee war nicht, Komfort zu schaffen, sondern einen sicheren, etwas wärmeren Ort zu bieten – selbst drei Teelichter können das Innere schon etwas aufwärmen. Dann haben wir uns überlegt, ob wir mit unseren technischen Möglichkeiten nicht eine bessere Lösung zum gleichen Preis anbieten können.

Und was hat so gar nicht funktioniert? Welche Herausforderungen gab es?

Ein großes Thema ist Wasser – wie bekomme ich Wasser ins Haus und wie sorge ich für sauberes Abwasser? Eine unserer Ideen war, das Dach zu begrünen, unter den Solarpanels. Das Regenwasser würde durch die Pflanzen gefiltert und könnte dann verwendet werden. Allerdings funktioniert das nicht, weil die Dachfläche zu klein ist und die Pflanzen 60 bis 70% des Wassers selbst aufsaugen. Übrig bleiben nur 30%, was nicht mal ausreicht, um übers Jahr Kaffee oder Tee zu kochen. Das war also ein KO-Kriterium. Wir brauchen entweder eine größere Dachfläche oder müssen das Wasser auf andere Weise filtern.

Welche Materialien habt ihr konkret verwendet? Euer Ziel war ja, möglichst effizient und ökologisch zu bauen, richtig?

Wir haben uns für nicht verklebte OSB-Platten entschieden, da diese ökologischer sind, auch wenn sie teurer sind und einen Monat ausdünsten müssen, bevor man im Haus schlafen kann. Aus Brandschutzgründen haben wir Steinwolle statt Schafwolle mit Lavendel verwendet, da wir die Dämmwolle später austauschen können, um andere Materialien wie Lignin zu testen. Auch die Frage, wie es ist, 24/7 in einem „Lavendelhaus“ zu leben, beschäftigte uns, da der Geruch auf Dauer unangenehm werden könnte. Brandschutz war uns besonders wichtig, da es immer möglich ist, dass jemand das Haus anzündet. Wir wollten sicherstellen, dass im Brandfall genug Zeit bleibt, das Haus zu verlassen. Es ist zwar nicht die ökologischste Lösung, aber sie bietet Sicherheit. Wir testen auch verschiedene Materialien und messen, wie sich der Wärmeübergangskoeffizient und die Feuchtigkeit im Raum verändern. Dafür haben wir das Haus mit Sensoren ausgestattet, die von Studenten aus der Sensorik-Vorlesung installiert wurden. Die Daten werden auf einem Raspberry Pi gesammelt, sodass wir die Sensoren bei Bedarf austauschen können. Besonders wichtig ist die Feuchtigkeit, da sie in einem gut isolierten Raum schnell steigt. Deshalb haben wir provisorisch Lüfter eingebaut, die bei hoher Feuchtigkeit oder CO2-Werten frische Luft zuführen, ohne das Haus unnötig abzukühlen. Das Projekt ist ein lebendes Konstrukt, das kontinuierlich weiterentwickelt wird. Wir haben sogar schon Nächte darin verbracht, um Verbesserungen zu testen.

Was hättet ihr euch am Anfang gewünscht? Einen Ratschlag, den ihr gerne gehabt hättet?

Ein Hinweis für die Rollen wäre hilfreich gewesen. Wir dachten, wir könnten das Haus einfach auf Rollen bewegen, aber das hat nicht funktioniert. Egal, was für belastbare Rollen wir nahmen, sobald wir über unebenen Boden wie Kopfsteinpflaster gefahren sind, sind die Rollen kaputt gegangen. Also haben wir das Konzept schnell verworfen. Wir mussten stattdessen einen Anhänger kaufen, der 2500 Euro bei eBay gekostet hat – neu wären es 5000 Euro gewesen, was unser Budget gesprengt hätte. Jetzt steht das Haus auf dem Anhänger, und wir können es leicht transportieren.

Glaubst du, dass es Vorteile hat, dass ihr das Projekt an der Hochschule gestartet habt, weil ihr auf so viele Fachbereiche zugreifen könnt?

Definitiv! Wir konnten schnell Input von verschiedenen Fachbereichen wie Elektrotechnik und Bauingenieurwesen bekommen und das Wissen sofort umsetzen. Zudem waren wir finanziell unabhängig, da die Professoren Entscheidungen selbst getroffen haben. Wir konnten einfach Materialien kaufen, ohne die üblichen bürokratischen Hürden, und waren deshalb extrem schnell. Diese Unabhängigkeit war wirklich toll, und es gab keine Einschränkungen, die unser Wissen oder die Ergebnisse limitiert hätten.

Was war dein persönliches Highlight bei der Entwicklung des Projekts?

Für mich war es emotional besonders, wie unterschiedlich die Gesellschaftsstrukturen konstruktiv zusammengearbeitet haben. Es gab keinerlei Berührungsängste zwischen den Obdachlosen und den Professoren, und das fand ich unglaublich schön. Der gegenseitige Respekt und die Zusammenarbeit haben mich sehr berührt.

Welche zukünftigen Entwicklungen stehen an?

Die Wasserversorgung und das Abwasser müssen noch gelöst werden. Wir testen zurzeit verschiedene Bio- und Trenntoiletten, um den Kompost für Kräuter zu nutzen. Ein weiteres Ziel ist es, die Energieeffizienz zu optimieren, zum Beispiel durch Lastkurven und intelligente Steuerungen. Wir haben einen Raspberry Pi im Einsatz, der künftig Empfehlungen geben könnte, wann es am besten ist, zu duschen oder Kaffee zu kochen. Außerdem müssen wir die Solarmodule noch sicher befestigen, damit sie bei Transporten nicht abfallen. Es gibt noch viele logistische Herausforderungen, und ich sehe Potenzial, das Projekt in den nächsten vier Jahren weiterzuentwickeln. Für die Weiterentwicklung könnten wir das Konzept auch auf Katastrophengebiete ausweiten. Wir überlegen, klappbare Häuser zu entwickeln, die in Militäranhänger passen. Zudem haben wir auf eine Lithiumbatterie verzichtet und stattdessen eine 280-Ah-Batterie verwendet, die fünf Tage ohne Sonne hält. Diese muss aufgrund von Dämpfen draußen bleiben und die Kabeldurchführung von der Batterie zum Innenraum ist luftdicht gesichert. Bei den Fenstern sind wir in der Testphase. Wir wollten keine Löcher machen, bevor wir sicher sind, dass die Ventilatoren funktionieren. Die Klimaanlage sorgt für schnelle Kühlung, doch wir müssen auch den CO2-Wert im Blick behalten und dafür sorgen, dass frische Luft hereinkommt. Wir testen die Luftzirkulation unter verschiedenen Bedingungen, um herauszufinden, wie wir das am besten umsetzen können.

Wie habt ihr Sponsoren gefunden? Sind die Sponsoren auf euch zugekommen, oder seid ihr auf sie zugegangen?

Ich habe in jeder Vorlesung erzählt, was wir vorhaben. Ein Student aus meinem Automatisierungstechnik-Kurs, der bei Mitsubishi arbeitet, hat vorgeschlagen, nach einer Sponsoring-Möglichkeit für eine Klimaanlage zu fragen. Die haben uns tatsächlich eine geschenkt! Danach haben wir ein bisschen PR-Arbeit gemacht, und die Installation wurde uns schließlich von der Firma KKL kostenlos angeboten, nachdem ich erklärt hatte, dass wir uns die Kosten nicht leisten können. So ist es entstanden. Für ein Projekt mit Gira hat Herr Gerhard, der für Gira arbeitet, auch Sponsoren gefunden. Ich habe wieder Werbung gemacht und gefragt, welche Schalter wir brauchen. Die wollten ein komplexes Bussystem einbauen, aber wir benötigten nur einfache Schalter, die uns dann ebenfalls gesponsert wurden. Die Ideen entwickeln sich oft organisch, indem man spricht und Kontakte knüpft.

Gibt es noch etwas, das du ansprechen möchtest?

Ich finde es schön, wenn sich in Deutschland die Idee verbreitet, dass man einander hilft. Es ist nicht kompliziert, ein kleines Häuschen für Bedürftige zu schaffen. Ich wünsche mir, dass solche Projekte entbürokratisiert werden.

Innerhalb von wenigen Monaten war das Effiziente Minihaus gebaut.

Effizientes Minihaus

Das Effiziente Minihaus ist ein innovatives Projekt, das von Sonja Podjawerschek, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Campus Velbert/Heiligenhaus, initiiert wurde. Die Idee entstand aus ihrem Engagement für Obdachlose und der Zusammenarbeit mit „Little Homes EV“, die kleine Häuser für Bedürftige bereitstellt. Gemeinsam mit Studierenden und Professoren wurde ein mobiles, autarkes Tiny House entwickelt, das auf Nachhaltigkeit und kostengünstige Effizienz setzt. Das Haus ist mit einer Solaranlage, Lüftern zur Raumklimasteuerung und nachhaltigen Materialien wie nicht verklebten OSB-Platten und Steinwolle ausgestattet.

Das Projekt wurde durch Sponsoren wie Mitsubishi Electric, KKL Klimatechnik und GIRA unterstützt. Es wurde in enger Zusammenarbeit mit Obdachlosen weiterentwickelt, die Verbesserungsvorschläge zur Isolierung und Sicherheit beitrugen. Dabei lag der Fokus auf einem sicheren, funktionalen Raum mit Privatsphäre, ohne dabei hohen Komfort zu bieten.

Das Effiziente Minihaus ist ein lebendiges Projekt, das kontinuierlich optimiert wird, etwa durch Tests zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. In Zukunft soll das Konzept für Katastrophengebiete angepasst und weiterentwickelt werden. Das Projekt ist ein Beispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit und zeigt, wie technische Innovationen im Bereich der Obdachlosenhilfe zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen können.